Deutsch-Französische Agentur für den Austausch in der beruflichen Bildung

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„Austauschprogramme in der beruflichen Bildung stellen eine Chance für Europa dar!“ – Interview mit Guy Maugis, Präsident der AHK Frankreich

ProTandem arbeitet gemeinsam mit Partnern wie der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer (AHK Frankreich) an innovativen und zukunftweisenden Lösungen für mehr internationale Mobilität in der beruflichen Bildung. Im Interview mit ProTandem geht der Präsident der Außenhandelskammer in Paris, Guy Maugis, auf die wirtschaftliche Situation beider Länder in diesem von der Pandemie geprägten Jahr ein. Des Weiteren zeigt er Perspektiven für die berufliche Bildung in Deutschland und Frankreich auf.

Die Maßnahmen, die aufgrund der gesundheitspolitischen Lage ergriffen wurden (insbesondere der wesentlich strengere Lockdown in Frankreich), ziehen tiefgreifende wirtschaftspolitische Konsequenzen nach sich.
Wie stehen die beiden Länder im Hinblick auf die Wirtschaft zurzeit da? Welche Unterschiede lassen sich diesbezüglich zwischen Frankreich und Deutschland feststellen?

Guy Maugis: Im Moment ist es schwierig, eine Bilanz zu ziehen, da die zweite Welle gerade erst beginnt und sie Deutschland anscheinend schwerer trifft, als die erste. Genauere Aussagen werden sich wohl erst danach treffen lassen.
Um die Unterschiede beider Länder genauer zu betrachten, beispielsweise in Hinblick auf Hilfsmaßnahmen für Unternehmen, muss man sich insbesondere die jeweiligen Schwerpunkte bezüglich der Branchen vor Augen führen. In Frankreich sind beispielsweise der Tourismus und die Gastronomie tragende Branchen, die sehr schwer von der Krise getroffen wurden. Sie können sich heute nur noch dank massiver Hilfsprogramme halten. Die Verluste lassen sich in diesen Bereichen auch nicht wieder aufholen. In Deutschland haben vor allem die exportierenden Industriezweige gelitten, wie beispielsweise die Automobilindustrie, die Luft- und Raumfahrt- sowie die Werkzeugmaschinenbranche. Diese Sektoren können aber auf eine gesteigerte Nachfrage nach der Krise hoffen, wenn es mit der Wirtschaft wieder bergauf geht.

Die Krise hatte auch Auswirkungen auf die Berufsbildung und auf die Austauschprogramme zwischen den beiden Ländern. Welche Perspektiven sehen Sie für die Ausbildung in den Unternehmen und für die Wiederaufnahme von Austauschen in der beruflichen Bildung zwischen Deutschland und Frankreich? Welche Rolle kann die Mobilität von jungen Azubis spielen?


Guy Maugis: Es gab und es wird auch nach der Krise ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen dem Bedarf einerseits und den Ressourcen an Kompetenzen andererseits geben. Dies wird besonders in neuen Berufsfeldern, wie zum Beispiel den IT-Berufen, deutlich. Aus demographischen Gründen gibt es in Deutschland einen Mangel an Arbeitskräften sowie eine strukturelle Arbeitslosigkeit in Frankreich. Eine der Lösungen hierfür stellt die Aus- und Weiterbildung dar.
Wer wäre da an einem besseren Ausgangspunkt als die Unternehmen, um den Bedarf zu analysieren und genau diejenigen Kompetenzen auszubilden, die sie benötigen? Auch wenn das in Deutschland selbstverständlich erscheinen mag, so geht dies in Frankreich dennoch schleppend voran, da die akademische Ausbildung weiterhin der Lehre vorgezogen wird. Strukturreformen, die in den letzten Monaten in Frankreich auf den Weg gebracht wurden, zeigen langsam Wirkung. Es lassen sich erste Erfolge verzeichnen und es findet ein Umdenken statt. Austauschprogramme in der beruflichen Bildung gewinnen immer mehr an Bedeutung und werden ausgebaut – ich bin der festen Überzeugung, dass sie eine Chance für Europa darstellen, in gleicher Weise, wie es auch schon mit dem Erasmus-Programm erreicht worden ist. Austauschprogramme müssen weiterhin gefördert werden, trotz aller bestehenden Barrieren, insbesondere der sprachlichen.

Berufsbildungstag 2020 und die Einführung der neuen Plattform Écoles-Entreprises: ProTandem und die AHK Paris arbeiten bei diesen beiden Projekten sehr eng zusammen. Welches sind die hauptsächlichen Änderungen, die in diesem Jahr vorgenommen wurden?


Guy Maugis:
Wie auch in den vergangenen Jahren wird der Berufsbildungstag die Möglichkeit bieten, viele interessante Gesprächsrunden mit hochrangigen Experten zu führen. Leider muss er jedoch aufgrund von Corona teilweise virtuell abgehalten werden. Somit wird es leider keinen informellen Austausch zwischen den Teilnehmern geben, der normalerweise einen der Schwerpunkte der Veranstaltung bildet.
Was die Plattform angeht, ist die neue Version wesentlich benutzerfreundlicher und schließt mehr Akteure mit ein. Diese zweite Version bietet viele Vorteile: personalisierte Benachrichtigungen, eine spezifischere Stellensuche, die den Suchkriterien entspricht (Praktikum, duale Ausbildung etc.) und die Suche nach Kooperationsmöglichkeiten für Ausbildungseinrichtungen und Unternehmen.
Außerdem besteht die Möglichkeit, diverse tagesaktuelle Statistiken abzurufen. Wir hoffen, dass durch diese Plattform vielen jungen Menschen ermöglicht wird, in dieser für sie besonders schwierigen Zeit einen geeigneten Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden.