Die erste Ausgabe des deutsch-französischen Preises „Beruf und Zukunft“ fand am 09. November 2021 im Rahmen des 8. Deutsch-Französischen Berufsbildungstages in Paris statt. Dieser Preis, der auf Initiative der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Zusammenarbeit mit ProTandem und dem Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) entstanden ist, hat es ermöglicht, neue innovative Austauschprojekte im Bereich der beruflichen Bildung ins Rampenlicht zu stellen. Hier stellen wir Ihnen die Preisträger und die preisgekrönten Projekte vor:
Die Preisträger in der Kategorie „Auszubildende oder Klassen“ sind die Modeschule in Berlin und das Lycée Paul Poiret in Paris.
Das Lycée des métiers d’art de la mode et du spectacle Paul Poiret befindet sich im Zentrum von Paris und wird von über 300 Schüler/innen, Auszubildenden und Studierenden besucht. Die historisch renommierte Ausbildungseinrichtung für Mode in Paris zeichnet sich heute durch die Vielseitigkeit und Exzellenz ihrer Ausbildungen im Bereich Mode, Textilpflege und Bühnentechnik aus. Das Berliner Oberstufenzentrum für Bekleidung und Mode bietet unterschiedliche Ausbildungen „von Kopf bis Fuß“ im Bereich Textil und Bekleidung an. In dieser Einrichtung sind alle Phasen der Entstehung eines Kleidungsstücks vertreten, vom Entwurf über die Schnittgestaltung bis hin zur Produktionsplanung und Herstellung.
Beide Modeschulen verbindet eine langjährige Freundschaft, die bereits in der Vergangenheit gegenseitige Besuche und Workshops ermöglichte. Die Idee einer Kooperation zwischen den Schulen entstand aus dem Wunsch heraus, den Auszubildenden das Nachbarland näherzubringen und vor allem durch ein gemeinsames Projekt im gleichen Ausbildungsbereich, dem Schneiderhandwerk, enge Bande zu knüpfen. In der Modebranche ist die Offenheit gegenüber Neuem ein grundlegendes Element der Ausbildung und das Überschreiten von Grenzen und Sprachbarrieren passt daher sehr gut zu diesem Ansatz.
Die Vorteile eines deutsch-französischen Austauschs liegen klar auf der Hand: auf fachlicher Ebene lernen die Azubis sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten der Arbeitsweisen und des Ausbildungssystems kennen. Auch wird Ihnen so vor Augen geführt, dass einige branchenspezifische Problematiken auf beiden Seiten der Grenze bestehen. Dies zeigte sich insbesondere in dem preisgekrönten Projekt beider Schulen zum Thema Nachhaltigkeit mit dem Schwerpunkt Upcycling: Durch die Pandemie konnten die Auszubildenden nicht ins Partnerland reisen und außerdem waren auch die Rohstoffe für die ursprünglich geplante Kollektion nicht verfügbar. Daraufhin wurde von den Lehrkräften und Azubis kurzfristig umdisponiert und ein gemeinsames Distanzprojekt mit recycelten Materialien auf den Weg gebracht.
Durch die Herausforderungen der Pandemie konnten sich die Azubis also weder vor Ort treffen, noch eine gemeinsame Ausstellung organisieren und dennoch haben sie eng zusammengearbeitet: gemeinsame Treffen per Videokonferenz, Nutzung digitaler Plattformen um Fotografien, Entwürfe und Portraits in beiden Sprachen vorzustellen – viele Möglichkeiten, um dem Gefühl der Abgeschiedenheit von der Welt während der Pandemiezeit entgegenzuwirken.
In der Kategorie „Unternehmen“ wurde die Austauschkooperation zwischen der BASF Ludwigshafen und dem Ausbildungszentrum Polyvia Formation Alençon ausgezeichnet.
Das Ausbildungszentrum Polyvia Formation (ehemals CFA ISPA (Institut Supérieur de la Plasturgie d’Alençon) mit Sitz in Alençon in der Normandie bildet zirka 280 Auszubildende in unterschiedlichen Ausbildungsniveaus im Bereich der Kunststofftechnik aus. Die Einrichtung ist auf die Ausbildung rund um die Herstellung von Produkten auf Polymerbasis spezialisiert und verfügt über umfangreiche technische Anlagen zu Ausbildungszwecken. Der Standort der BASF in Ludwigshafen ist mit einer Fläche von rund zehn Quadratkilometern das größte zusammenhängende Chemieareal der Welt, das sich im Besitz nur eines Unternehmens befindet. In diesem Stammwerk der BASF wurde auch das Verbundprinzip entwickelt: die Produktionsanlagen, Energieströme und die Logistik werden intelligent miteinander vernetzt, um die Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen.
Die internationale Ausrichtung stellt für beide Partnereinrichtungen einen Schwerpunkt dar. Die gemeinsame Partnerschaft besteht bereits seit 2011. Die BASF hat vorher zudem ein Austauschprojekt mit der Industrie- und Handelskammer Paris/Ile-de-France im Bereich Verfahrens- und Kunststofftechnik durchgeführt. Das Polyvia-Ausbildungszentrum legt seit jeher Wert auf die Mobilität der Auszubildenden, die eine Bereicherung ihres beruflichen Werdegangs darstellt und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt maßgeblich erhöht. Dank dieser umfangreichen Austauscherfahrungen konnten die Schulen ein umfassendes Projekt zum Thema Kunststoff mit dem Titel „Kunststoff: vom Erdöl zum Endprodukt“ entwickeln.
Die Herausforderung für beide Partner bestand darin, ein für beide Seiten interessantes und inspirierendes Programm zu entwickeln. Unterschiede in der Größe und der Aufstellung der beiden Ausbildungseinrichtungen stellte die Partner vor Herausforderungen. Doch auch das kleinere CFA in Alençon hat viel zu bieten, wie z. B. Chemielabore und viele außerschulische Angebote von und für Auszubildende. Bei dem jährlich stattfindenden Präsenzaustausch vor Ort haben die Azubis neben den fachlichen Erfahrungen und beruflichen Inhalten auch die Gelegenheit, die Kultur und Geschichte des Gastlandes kennen zu lernen. Während des Aufenthaltes der deutschen Gruppe in der Normandie sind beispielsweise Ausflüge zum Mont Saint-Michel oder zu den Landungsstränden der Alliierten sowie kulinarische Highlights geplant.
Der Preis „Beruf und Zukunft“ stellt für beide Partner eine Wertschätzung ihrer Kooperation, ihres Engagements und der gemeinsamen Ausbildungs- und Unternehmensgrundsätze dar. Insgesamt haben bereits 216 Jugendliche und junge Erwachsene seit Beginn der Partnerschaft an den Austauschen teilgenommen und es sind viele Freundschaften zwischen den Auszubildenden aber auch zwischen den Lehrkräften und Organisatoren beider Seiten entstanden.
Die Kooperation im Bereich Veranstaltungstechnik zwischen dem CFASVA in Bagnolet und dem FTVT Berlin e.V. gewann den Preis in der Kategorie „Bildungseinrichtungen“.
Das CFASVA (Centre de Formation des Apprentis des métiers techniques du Spectacle Vivant et de l’Audiovisuel) ist ein Ausbildungszentrum für technische Berufe im Bereich der darstellenden Künste und der audiovisuellen Medien mit Sitz in Bagnolet bei Paris. Das CFASVA wurde 1999 gegründet und ist das einzige Ausbildungszentrum in Frankreich für diese Berufe. Es bietet elf verschiedene Ausbildungsgänge (sieben im Bereich der darstellenden Künste und vier im audiovisuellen Bereich) in Partnerschaft mit renommierten Opernhäusern und Theatern an. Projektträger auf deutscher Seite ist der 1993 gegründete Verein FTVT Berlin e.V. Die Ziele dieser Einrichtung sind die Förderung der Aus- und Weiterbildung im Bereich der Veranstaltungstechnik. Insgesamt wurden bereits 984 Personen vom FTVT Berlin e.V. in dieser Branche ausgebildet.
Die Idee eines deutsch-französischen Projektes entstand mit Blick auf die praktische berufliche Zukunft der Auszubildenden. Ton-, Bühnen- und Lichttechnik sind auch im späteren Berufsleben oft mit Mobilität beispielsweise im Rahmen von internationalen Tourneen verbunden. Die Auszubildenden sollen lernen, auch in einem ausländischen Umfeld unterschiedlichste Situation zu meistern. Um sie auf diese Herausforderungen vorzubereiten, erkannten Bruno Burtre vom CFASVA und Bernd Langbein vom FTVT Berlin e.V. sofort das Potenzial einer Ausbildung, die einen deutsch-französischen Austausch beinhaltet.
Die Durchführung solcher Begegnungen bringt jedoch eine Reihe von Hürden mit sich, wie z. B. die Sprachbarriere, die unterschiedlichen Lernsysteme und pädagogischen Ansätze oder auch aktuelle Herausforderungen, wie die Pandemie, die alle Austausche zum Erliegen brachte. Die Motivation beider Seiten, die Arbeit fortzusetzen und die fachliche Qualität der Inhalte stetig zu verbessern, um den Azubis weiterhin einen kulturellen Austausch und Berufserfahrung im Ausland bieten zu können, blieb jedoch unverändert. Ein für die Einrichtungen und Lehrkräfte wichtiger Bestandteil des Austausches stellt die Auswertung der Berufspraktika und des gesamten Austauschprojektes dar: Diese Treffen bieten Gelegenheit sich gegenseitig Feedback zu geben, Herangehensweisen zu vergleichen und neue Ausrichtungsschwerpunkte zu planen, die den nächsten Auszubildenden zugutekommen werden.
Für beide Partnereinrichtungen brachte der Preis „Beruf und Zukunft“ eine Anerkennung, die alle Lehrkräfte, Organisatoren und Auszubildende würdigt. Mit diesem Preis konnte das Interesse neuer Finanzpartner gewonnen werden, um weitere neue Projekte in Angriff zu nehmen. Das Preisgeld wird für die Erstellung eines deutsch-französischen Referenzrahmens für die Sicherheit in Theatern verwendet.
Der Preis der Jury ging an die Kooperation zwischen dem CMQ Tourisme et Innovation Hauts-de-France, dem Lycée Hôtelier International de Lille und dem Robert-Wetzlar Berufskolleg in Bonn.
Das Campus des Métiers et des Qualifications (CMQ) d’excellence Tourisme et Innovation ist das größte Bildungsnetzwerk für das Hotel- und Gaststättengewerbe nördlich von Paris. Dieses Bildungsnetzwerk wurde 2017 gegründet und als Exzellenzcampus ausgezeichnet. Es erstreckt sich über die gesamte Region Hauts-de-France und die beiden Akademien von Lille und Amiens. Das Ziel des Bildungsnetzwerkes ist es, Bildungsakteure aus dem Bereich der beruflichen Aus- und Hochschulbildung zusammenzubringen, um die Qualifikation der angehenden Arbeitskräfte optimal auf den Bedarf des regionalen Arbeitsmarktes ausrichten zu können. Mit 11.000 Schüler/innen und Studierenden im vollzeitschulischen System und 3.000 Auszubildenden in 50 Ausbildungsgängen trägt das Bildungsnetzwerk dazu bei, die fachlichen Kompetenzen junger Menschen zu verbessern. Das Robert-Wetzlar-Berufskolleg in Bonn ist eine Berufsschule mit zirka 2.300 Schüler/innen und Auszubildenden, die insbesondere in den Bereichen Ernährung, Hauswirtschaft, soziale Arbeit sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe ausgebildet werden.
Die Schwerpunkte der Ausbildung liegen unter anderem auf der Vielfalt und Interkulturalität, die die Einrichtung durch zahlreiche internationale Projekte fördert.
Das Lycée Hôtelier International de Lille ist Teil des CMQ Tourisme et Innovation Hauts-de-France und bildet in den Bereichen Gastronomie, Restaurant- und Hotelfachleute und Floristik aus und legt einen Schwerpunkt auf eine europäische und zukunftsorientierte Ausrichtung. Die Einrichtung befindet sich in einem dynamischen im Wandel begriffenen Viertel. Internationaler Austausch ist ein Herzstück der Einrichtung, dazu gehört, das französische Know-How im Bereich Hotellerie in die Welt hinauszutragen, Auszubildende ins Ausland zu schicken und im Gegenzug Azubis aus anderen Ländern in Lille zu empfangen.
Das Robert-Wetzlar-Berufskolleg in Bonn und das Lycée Hôtelier International in Lille führen seit über zehn Jahren einen erfolgreichen deutsch-französischen Austausch im Bereich Hotellerie und Gastronomie durch. Aufgrund der Pandemie musste der für 2020 geplante Austausch leider abgesagt werden. Um den Auszubildenden aber einen Ersatz bieten zu können, wurde 2021 ein virtueller Austausch in Zusammenarbeit mit dem Bildungsnetzwerk CMQ entwickelt und umgesetzt.
Nach Überwindung zahlreicher technischer Herausforderungen wurde dieses virtuelle Austauschprojekt dann zu einem vollen Erfolg: die Teilnehmenden konnten interessante und bereichernde Kontakte mit ihren Austauschpartner/innen auf der anderen Seite der Grenze knüpfen. Der online durchgeführte Sprachkurs nach dem Tandemansatz half dabei, die Barrieren zu überwinden und weckte die Neugier und den Wunsch, sich später vor Ort zu treffen. Auch die gemeinsame Verkostung von Spezialitäten aus den Regionen beider Seiten durfte nicht fehlen: durch den Versand von Überraschungspaketen, die von den Lehrer/innen verschickt worden waren, war auch dies gemeinsam vor dem Bildschirm möglich. Ein weiterer Vorteil dieses neuen flexibleren Formats war, dass die Auszubildenden im dualen System leichter an den Sitzungen teilnehmen konnten, da sie für einen längeren Zeitraum unter Umständen von den Betrieben nicht freigestellt worden wären. Schließlich konnten die Teilnehmenden auf diese Weise nicht nur ihre beruflichen Kenntnisse erweitern, sondern haben ebenfalls neue digitale Kompetenzen durch die Nutzung zahlreicher Plattformen erworben.
Das gesamte ProTandem-Team gratuliert allen Preisträgern des Preises „Beruf und Zukunft“ nochmals herzlich und freut sich auf die zweite Ausgabe!